Patricia Hell | Farbrauschen

➽ Katalog Farbrauschen, Patricia Hell © Heike Krüger

Eröffnung des Galerieprojekts HUMANITAS

Die mit vielen Auszeichnungen geförderte Mainzer Künstlerin Patricia Hell studiert Kunst und Philosophie an der Johannes Gutenberg Universität und schließt ihre Ausbildung mit dem zweiten Staatsexamen ab. Viele kennen ihre Arbeiten von den Ausstellungen, in denen ihre beeindruckenden Werke seit Jahren europaweit zu sehen sind. Werke, die ein intensives Glücksgefühl hervorrufen und die zu recht den Ausstellungstitel FarbRauschen tragen. 

Besuch im Atelier der Künstlerin Patricia Hell, Gallery Project HUMANITAS

Farbrauschen bedeutet für Patricia Hell Resampling

Die Arbeiten von der Malerin sind die passende Ouvertüre zum Jahresthema der Galerie, HUMANITAS. Absolut nichts schließt Patricia Hell in ihren künstlerischen Werken aus und nichts stellt sie in Frage. Ihre Farben dürfen sich barrierefrei und gleichberechtigt bewegen, und jede Farbe stellt sie in ihrer Besonderheit dar und lässt die Vielfalt zu. Aus Farbrauschen, dem freien Auftrag von Farbmaterie, entwickeln sich weitere Serien der Künstlerin.

Die Vereinigung

In ihren Bildern vereinigen sich die Farbpigmente, ja, sie verschmelzen miteinander. Es gibt nur ein Miteinander, ein Zusammenfließen, ein Strömen – sich entströmen. Diese Zusammenfließen und sich vereinigen ist es, was ihre Bilder so wertvoll macht. Denn so, wie die Farbe ihre Kraft in der Verschmelzung von Auftrag, Rhythmik und Gesamtkomposition im Raum erhält, so erhält jeder Mensch in seiner selbstbestimmten Verwirklichung nur in der Gemeinschaft des sozialen
Gefüges eine Authentizität und Definition. Absolut nichts schließt Patricia Hell in ihren künstlerischen Werken aus.

Johannes Thon spielt zur Eröffnung der Ausstellung von Patricia Hell, Gallery Project HUMANITAS

Farbrauschen oder die Bewegung der Farbe

Die Farbe wird in breiten, oft lang gezogenen Pinselstrichen, in hastigen, skripturalen Schwüngen oder mit dem Spachtel dick geschichtet auf den Bildträger aufgebracht. Sie ist stets auch in ihrer materialen Qualität präsent und immer kann der Vorgang der Malerei genau nachempfunden werden. Die Farbe entfaltet ihre Kraft in sensiblen Variationen des Farbtons und seiner Nachbarschaften oder in starken Kontrasten. Unterschiedliche Bewegungen im Farbauftrag erzeugen räumliche Vibrationen und Unschärfen. Obwohl es keine Komposition gibt, so wird doch eine feste, organisierte Struktur wie textiles Gewebe geflochten und Farbe und Linie steigern sich im wechselseitigen Zusammenklang. Aus der Eröffnungsrede von Karl Wilhelm Ducoffre

Vernissage der Ausstellung Farbrauschen, Gallery Project HUMANITAS
Laudator Karl Wilhelm Ducoffre spricht für Patricia Hell, Gallery Project HUMANITAS

Patricia Hell malt Bilder.

Dies klingt banal, verwundert aber in Anbetracht der Gemälde. Die Titel der Bilder benennen die Motive, deren Abbild nicht erkennbar ist. Aber ge­ra­de die vom Gegenstand losgelöste Malerei lässt auf ihre Weise eine gültige Darstellung der realen Welt zu. Die Illusion des Lichts wird von der Gegenwart der Farbe verdrängt. Die künstlerischen Mittel sind autonom. Das Fehlen jeglicher ikonischer und narrativer Elemente lässt in gleichsam lyrischer Leichtigkeit metaphorische Bilder entstehen und mündet in unmittelbarer synästhetischer Erfahrbarkeit. Die Farbwirkungen werden zum visuellen Erlebnis, genauso wie die rauhen Oberflächen der Farbkrusten spürbar sind.
Die Atmosphäre des Ateliers ist gegenwärtig und der Geruch von Farbe, Leinöl und Terpentin drängt sich auf. So entsteht wunderbar vielschichtige Malerei, und das nicht nur im wörtlichen Sinn.

Farbrauschen, Patricia Hell, Installation, Gallery Project HUMANITAS
Farbrauschen, Patricia Hell, Installation, Gallery Project HUMANITAS

Die Künstlerin stellt durch die Bildtitel kunstgeschichtliche Bezüge her: „Nach van Goghs Sämann“ zitiert zumindest die Farbigkeit des Vorbilds; die Reihe „Aus Monets Garten“ ist, bis auf die Tatsache, dass es sich um eine Reihe handelt, nicht mehr bildmäßig in ihrem impressionistischen Bezug nachzuempfinden. Schließlich ermöglicht der Verzicht auf jede mimetische Andeutung die Erschließung von atmosphärischen Eindrücken, die über die Motivik der Impressionisten hinausgeht: Manche Werke zum Beispiel schaffen Atmosphären, die über die sichtbaren physikalischen Phänomene hinaus imaginäre Räume erschließen.

Atmosphären erschliessen imaginäre Räume

Die gegenüber dem Impressionismus gesteigerte, impulsive Gestik der Pinsel­führung könnte als Anklänge an den Tachismus oder den abstrakten Expressionismus aufgefasst werden, jedoch fehlt Patricia Hells Bildern der sich selbst genügende Habitus. Der Farbauftrag fügt sich bei aller Freiheit präzise in die Struktur des Bildorganismus. Der Duktus variiert den Bildthemen entsprechend und wird zum unverzichtbaren, intellektuellen Bestandteil der künstlerischen Intention.


Resampling ist Schreiben von Bildern

Schrift und Sprache sind abstrakte, symbolhafte Medien eines Kommunikationsprozesses, in dem der Verlust oder die Störung von Information als „Rauschen“ bezeichnet wird. So zeigen Patricia Hells Bilder in mehrfacher Weise den prozesshaften Charakter von Kunstwerken, die oft lediglich als Objekte gesehen werden. Nicht nur das Schaffen, auch das Wirken ist ein aktiver Vorgang, der Zeit und Arbeit erfordert. Diese Leistung muss der Betrachter erbringen um im besten Fall zu erreichen, was Schiller den „ästhetischen Zustand“ nennt, jenes euphorische Erlebnis der Erkenntnis, die über das rationale Erfassen des Gegenstandes hinausgeht. Für den Betrachter kann dabei „Rauschen“ Chance und Gewinn bedeuten.

Farbrauschen ist unmittelbar

Gerade durch die Rückschau auf vorangegangene Kunst ist Patricia Hells Malerei als innovatives und authentisches Ausdrucksmittel von unmittelbaren, subjektiven Sinnesein­drücken eine eminent zeitgenössische Stellungnahme, die der bildhaften Malerei einen überzeugenden und eigenständigen Beitrag hinzufügt und entgegenhält.

Sehstücke | Patricia Hell, Installation, Gallery Project HUMANITAS
Rhein-Zeitung, Artikel Ausstellung Farbrauschen