Hero image: Fiction is REAL | Eva Krembel, Andy Warhol, Gallery project eyes wide open
➽ Ausstellungskatalog Fiction is REAL, Eva Krembel
Die für den 04. November – 02. Dezember 2016 geplante Ausstellung habe ich abgesagt.
Eva Krembel verstarb 13 Tage vor der Eröffnung ihrer Ausstellung.
Inzwischen verbindet Eva Krembel und mich eine über zwanzigjährige Freundschaft. Während unserer gemeinsamen Zeit war ich ihre Brautjungfer und bin die Patin einer ihrer beiden Töchter. Dass wir regelrecht gefiebert haben bei den intensiven Vorbereitungen für die Fotoausstellung und wir uns dabei lebendig und voller Energie gefühlt haben ist deshalb nicht verwunderlich, weil wir unser erstes gemeinsames Projekt realisieren wollen.
Nur wenige Tage vor der Ausstellungseröffnung stirbt Eva Krembel und wir alle sind schockiert über ihren plötzlichen Tod, so kurz vor der Vernissage unserer gemeinsamen Arbeit, die uns beiden doch so viel bedeutet hat.
Die Familie möchte die Präsentation von Fiction is REAL, doch ich bin nicht stark genug für die Rolle der Stellvertreterin. Eva Krembel wurde nur 46 Jahre alt.
An dieser Stelle lasse ich meine Maske fallen, denn der Tod von Eva reißt mir den Boden unter den Füssen weg. Ich falle in ein tiefes Loch und kann mich deshalb nicht aufraffen, die geplanten Ausstellungen meines eyes-wide-open-Konzepts fortzusetzen. Deswegen treffe ich noch im November meine Entscheidung, allen Protagonisten von eyes wide open abzusagen und nehme mir eine Auszeit.
Fiction is REAL
Fotografie: Eva Krembel at www.roadstop.de
Konzept: Eva Krembel & Frank Buchheister
Masken: www.celebrity-facemasks.com, construction.roadstop.de
Dekoration/Set Fotos: Frank Buchheister
Lesung: Sarah Ulrich
Vernissage: 04.11.2016, 19 h
„Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler. Sie treten auf und gehen wieder ab, ein Leben lang spielt jeder manche Rolle.“(William Shakespeare)
Theater also.
Die in Essen lebende Fotokünstlerin zeigt uns in ihren großformatigen Masken-Arbeiten künstliche Welten – künstliche Prominenz – eine Inszenierung, die nach Wirklichkeit aussieht und dennoch leer ist. Warum der Realität entfliehen und in die Fiktion eintauchen? Fliehen wir vor unserer eigenen Bedeutungslosigkeit oder bauen wir uns sogar ein Paralleluniversum mit unserem eigenen Double?
Eva Krembels Inszenierung verweist uns auf das Fehlen einer Realität. Schnell wird klar, dass das Tragen der Masken nur eine künstliche Produktion von Prominenz ist. Wer hinter die Maske schaut um dort die Wahrheit zu finden, läuft Gefahr, ins Leere zu schauen. Dabei gleitet uns unsere eigene Individualität uns aus den Händen. Wir strengen uns nicht mehr an, einzigartig zu werden, wenn es doch so verlockend ist, die Nische zwischen Fiktion und Realität zu bewohnen – das Leben hinter der Maske zu führen.
Die Menschen wechseln ihr Masken – aber sie werden nichts.
Für die Aktion bekam Fiction is REAL eine eigene Facebookseite, um von Beginn an die Entwicklung einer großen Kampagne dokumentieren sollte.
Sarah Ulrich über Fiction is Real
Welch eigentümliche Idee, ein künstlerisches Werk brauche verbales Geleit, als Schlüssel oder
Dechiffrierhilfe, etwa um Interpretationsräume zu eröffnen und um Deutungsgrenzen zu ziehen.
Beschreiben, bemessen, Fakten schaffen mögen Errungenschaften und Symptome der digital
gerüsteten Wissensgesellschaft sein. Diese hat das In-Unkenntnis-bleiben, so scheint es, verlernt.
Idole werden bis in den letzten Winkel durchleuchtet, ihr Leben wird seziert, interpretiert, rekonstruiert, nachempfunden, um ausschließen zu können, dass sie mehr sind als normale Menschen. Demaskierung der Helden. Legendenstatus erhält ohnehin nur noch, wer bereits lange genug tot ist, um nicht vom Sockel herunter auf das nächste „Selfie“ gezogen zu werden, die bildgewordene Demontage eines Mythos.
Wahrheit und Täuschung
Zurück bleiben kurzer Triumph und lange Enttäuschung und die Wahrheit ist: Wir brauchen Mythen,
Legenden, Helden, Idole seit Menschengedenken. Denn wir sehnen uns nach dem Genuss der
Verheißung des Möglichen im Angesicht des großen Unbekannten und ein Kunstwerk darf und soll
daran erinnern.
Sarah Ulrich, Zivilisationsforscherin/Sozialpsychologin
Eva Krembel & Frank Buchheister
Nackter Oberkörper, Boxhandschuhe, die Arme lässig auf den Seilen eines Boxrings – Sylvester
Stallone in voller Pracht… doch irgendetwas stimmt nicht! Das Gesicht wirkt zu starr, leicht deformiert, und Stallone hat dann doch zu wenige Muskeln, auch der Ring ist kein Ring, sondern ein
dekoriertes Bett. „Fiction is REAL“ heißt die Ausstellung des Gastronomen und Themenhoteliers,
der sich dem amerikanischen Ambiente verschrieben hat.
Frank Buchheister – Gastronom und Künstler
Doch Frank Buchheister sammelt solche Werke nicht nur, sondern fungierte hier zusammen mit Eva Krembel als Ideengeber, Erfinder, Bühnenbildner, Regisseur und Produzent dieser skurrilen Werke. Eva Krembel hat als Fotokünstlerin mit ihrem geschulten Auge und ihrem spezifischen Klick die Szene eingefroren.
Thomas Olbricht Freund & Kunstsammler
Der Dalai Lama schwebt im Road Stop Essen
Eigens für das Road Stop in Essen hat Eva Krembel für Frank Buchheister ihre Protagonisten in Szene gesetzt.
Neben Sylvester Stallone zeigen die Bilder weitere illustre Gestalten wie James Dean,
Marilyn Monroe, Arnold Schwarzenegger oder sogar den Dalai Lama in unterschiedlichen
Interieurs, die entweder zur Identifizierung der Personen beitragen oder zusätzlich verwirren.
Thelma & Louise bewaffnet vor einer Panoramatapete der Route 66, der flugverrückte Unternehmer
Richard Branson mit Modellflugzeug vor einer startenden Rakete oder David Hasselhoff und
Pamela Anderson in ihrer Baywatch-Kostümierung vor einem aufgetürmten Wellenberg mit
Surfer… Doch was macht der Dalai Lama auf dem Bar-Tresen? Trinkt er Tee oder bereits ein
Stauder Pils? Allerdings lässt ein schneller Blick den Betrachter erschrocken, zumindest aber
irritiert innehalten.
Masken als Metamorphosen des Gesichts
Alle diese abgebildeten Menschen, vier Frauen und 18 Männer, tragen eine Maske, zeigen ein eingefrorenes Gesicht, ein „Imago“. Masken als Metamorphosen des Gesichts, als Gegenstand undMotiv der Kunst, gehen im historischen Geschehen weit zurück und gehören zur frühesten künstlerischen Produktion der Menschheit überhaupt. Über alle Zeiten hinweg dienten sie unterschiedlichsten Kulturen stets als Instrument und Medium lebens- oder/und kulturstiftender Prozesse. Doch wozu dient die Maske hier: Zur Verhüllung, zur Verwandlung oder gar zur Vermummung?
All dies scheint nicht zuzutreffen. Sie enthüllt, indem sie verbirgt, und verbirgt indem sie sich
zeigt, und wirkt so im Zusammenhang des jeweiligen Szenarios als Kraft- und Imponiermerkmal
im Sinne der Erhöhung bzw. Überhöhung der dargestellten Person. Aber Frank Buchheister
und Eva Krembel gehen noch weiter mit ihrem Verwirrspiel.
Eindeutig zweideutig
Nehmen wir das Foto, auf dem zweifelsfrei Andy Warhol zu erkennen ist. Während sich der American Pop Art Star einen Rahmen vor das Gesicht hält, zieren die Wände seines Bedroom aber keineswegs Arbeiten des Künstlers selbst, sondern seiner Zeitgenossen: rechts Roy Lichtenstein und hinter dem Bett offensichtlich ein Gemälde von Tom Wesselmann – Andy Warhol hätte das nie so gemacht! Auch die züchtig ihre Beine zusammenpressende und auf ihrer Bettkante hockende
Marylin Monroe erinnert so gar nicht an die Ikone mit dem hochgewirbelten Kleid über dem
U-Bahn-Schacht. Immerhin trägt sie das typisch weiße Kleid.
Diese kleinen Unstimmigkeiten, die dem Betrachter erst auf den zweiten Blick bewusst werden, verdeutlichen humorvoll die Persiflage. In die gleiche Richtung stößt das Arrangement von Barack Obama in seinem Büro. Dass der Präsident tatsächlich zwischen seinen weltbewegenden Entscheidungen bei einem lockeren Billardspiel entspannt, ist doch eher zweifelhaft. So erzählen die insgesamt 17 Fotografien, alle aufgenommen im Road Stop Neandertal, eigene abstruse Geschichten zum Hineindenken und Entdecken. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt – welch „wahnsinnige“ Idee.