FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron

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Ausstellung vom 22. Januar – 25. März 2015

Nina Maron gibt sich nicht mit schnellen Blicken und dekorativ auf die Leinwand geworfenen Eindrücken zufrieden, wenn sie sich mit einem Thema beschäftigt, dann tut sie das gründlich. Eine intensive Auseinandersetzung fordert sie auch von den RezipientInnen ihrer Bilder, die tatsächlich über bloßes Betrachten hinausgehen müssen, denn ohne das Konzept, die Geschichte geht es bei Maron nun mal nicht.

Serielle Malerei

Die Geschichten der Wiener Künstlerin Nina Maron entwickeln sich nicht im luftleeren, undefinierten Raum, sondern in Serien. Sie malt ihre Bilderserien, lässt den Betrachter am Entstehungsprozess teilhaben und sich somit in ihre „Karten“ schauen. Durch ihre gemalte Serialität bleibt dem Betrachter eigentlich gar nichts anderes mehr übrig, als sich mit dem dargebotenen Thema auseinanderzusetzen. Zu Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit malte sie 60 bis 70 Bilder, mittlerweile sind es immer noch 5 bis ca. 20 pro Serie. Das verweist stark auf das Anrennen gegen den Originalitätsbegriff, wie ihn auch die Pop Art provokant zur Diskussion stellte.

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Dahinter steckt auch ein Verweis auf jenen Diskurs-Aspekt, den die Pop Art provokant zur Diskussion stellte, um Jahre später selbst dort zu landen, wogegen man anrannte – dem Originalitätsbegriff. Maron ist den nötigen Schritt konsequent weiter gegangen und verweist auf die Diskrepanz von geniekultigem Elitarismus und serieller Produktion und macht im selben Pinselstrich deutlich, dass diese die Individualität keineswegs ausschließt, sondern signalisiert vielmehr die Sichtbarmachung der dahinterstehenden Entwicklung inklusive ihrer gesellschaftspolitischen, kunstbetrieblichen und sozialen Faktoren. Dabei verweist auch sie ironisch auf medienbildliche Einflussnahme, erhebt diese ganz pop-artig ins Künstlerische und legt doch und gerade dadurch den dahinterstehenden Prozess offen.

Free as a Bumblebee

Die Künstlerin verwehrt sich gegen jede Form von Eindimensionalität und Bruchlosigkeiten, mit beinah soziologischer Akribie decouvriert sie gesellschaftliche Prozesse der Entstehung, Verfestigung und Fortschreibung (bewusst wie unbewusst), sowie das gegenseitige Einander Bedingen von Zuschreibungen, Klischees, Vorurteilen oder Tabus – und verweist weiter auf die ihnen zugrunde liegenden Strukturen, Systematiken.

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FREE AS A BUMBLEBEE?
Porträt der Hedy Lamarr

Medial bekannte Sujets stellen oft die Bezugsgrundlage von Marons Bildern dar, deren Einseitigkeit sie aber durch eine komplexe Auseinandersetzung mit der jeweiligen Persönlichkeit konterkariert. So sind eigene Serien zu Romy Schneider, Hedy Lamarr aber auch Johanna Dohnal entstanden. Die hier gezeigte Porträtserie „Free as a bumblebee“ , die auch der gesamten Ausstellung den Titel gibt, zeigt die Hedy Lamarr, eine österreichisch-­amerikanische Filmschauspielerin. Sie floh 1937 vor ihrem Mann, dem reichen Wiener Industriellen Fritz Mandl, der ihr das Filmen verbot und die Jüdin zur Konvertierung zum katholischen Glauben zwingen wollte.

Mehr als nur eine von Hollywood gemachte Diva

In ihrem Zufluchtsort London wird sie für Hollywood entdeckt. Die darauf folgende Schauspiel-­Karriere ist bekannt. „Eine der schönsten Frauen der Welt ist sie“, so sagte man. Aber das sie eine Funksteuerung entwickelte, die in der heutigen Kommunikationstechnik, zum Beispiel bei Bluetooth-Verbindungen Anwendung findet, wissen wenige. Auch und vielleicht auch gerade deshalb setzt Maron sich in diesem Werk FREE AS A BUMBLEBEE mit der Ambivalenz zwischen westlichem Konsum und dem roten Kapitalisten-­Stern auseinander. Was bietet dem Menschen nun wirklich Schutz – die Bubble-­Blasen können platzen…

FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron, Free as a Bumblebee?-series (Hedy Lamarr, Gallery Project NO PLACE TO HIDE

Porträts & Präsenzen

Wie diese den, vor allem die Einzelne(n) prägen, bestimmen, aber eben auch vergewaltigen oder allein lassen, davon handeln Marons Porträt-Arbeiten ebenso, wie sie intensiv und aufschlussreich die Wechselwirkungen von Individuum und Gesellschaft darstellen. „Das Thema der Nina Maron ist ein radikal menschliches: die Entstellung, die Verstellung, ja, die Vernichtung des weiblichen Menschen durch Äußerlichkeit, durch Dekor,“ so Peter Turrini über die Künstlerin. Porträts? Ja, Maron setzt Menschen, vor allem Gesichter großformatig ins Bild. Und arbeitet mit jenen Vorlagen, die die mediale, schubladenfixierte Hochglanz(a)bo/r/(n)niertheit so liefert – oder eben nicht.

FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron, there‘s no business-series (Twiggy), Gallery Project NO PLACE TO HIDE

Nina Marons Porträts spiegeln diese Ambivalenz in Technik und Farbgebung wieder, reduzierte, flächige, aber nichts desto trotz präzise Formensprache, kontrastive Farbwahl und auf Geometrie verweisende, dieser jedoch offen_sichtlich zuwiderhandelnde Bildkompositionen sind charakteristische Merkmale ihrer Arbeiten. Immer wieder sind es Balken und Streifen, die sich durch die Bilder ziehen und darüber legen, Gesichter teilen, manchmal zerschneiden, dann wieder gerade dadurch erkennbar werden lassen. Bruchlinien, innere wie äußere, die Persönlichkeiten aber auch die Gesellschaften prägen, die sie auslösen und auf die diese letztlich wieder zurückwirken.

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Von TitelGebung und Schablonenrissen

Die Benennungen ihrer Serien sind entscheidende Bestandteile der jeweiligen Werke, Nina Maron eröffnet mit dem Titel der Arbeit einen bekannten Raum, den ihre Darstellungen dann nicht selten gleichzeitig überzeichnen und unterlaufen.

FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron, Bloody Friday-series, Gallery Project NO PLACE TO HIDE

Gesellschaftliche Stigmata

In Bloody Friday stellt sie – und zwar unausweichlich erkennbar und uncodiert – die immer noch herrschende Dichotomie von Phantasie und Anspruch ans weibliche Rollenerfüllungsklischee gegenüber: Heilige und Hure, übersetzt Hausfrau und Diva, das das Frauenbild – im wörtlichen Sinn – seit ältester Zeit prägt und immer wieder neu aufgelegt wird. Im Kinderspiel, das das Erstarren auf Zuruf beinhaltet, manifestiert sich der Zusammenhang in perfider Perfektion. Die Folge spiegelt sich – unter anderem – im Serientitel, wo landet Frau mit der Erfüllung immer und immer noch? Maron spielt mit plakativ-psychologischen Elementen und nimmt sie ernst. Traut sich, im Bild an- und auszusprechen, was in vier Wänden und öffentlichen Räumen noch immer vorhandene Entscheidungsgrundlage ist, weist aber auch auf die Bereitschaft zur Erfüllung derselben hin.

FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron, Bloody Friday-series, Gallery Project NO PLACE TO HIDE
FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron, SUSY HANG AROUND, Gallery Project NO PLACE TO HIDE

Marons Arbeiten sind ausdauernd und ungeduldig gleichzeitig, seit langem bestehende Erkenntnisse sollen und wollen endlich Gehör finden, die Wucht ihrer Werke fordert das Hinschauen und Sehen mit Vehemenz ein, lässt, trotz allen spielerischen Elementen, Ignoranz nicht mehr zu. „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“ („On ne naît pas femme, on le devient“.), so Simone de Beauvoir in ihrem Opus Magnum Das andere Geschlecht. Gerade dieses Gemacht-werden und -sein wird in Marons Bildersprache überdeutlich, diesbezügliche Fiktion, Illusion, „Natürlichkeit“ im Sinne von Unhinterfragbarkeit verweigert sie kategorisch, stattdessen setzt sie auf die Dekonstruktion derartiger Vorurteile und ihrer trügerischen Sicherheiten.

FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron, Existtoresist-series, Gallery Project NO PLACE TO HIDE

Widerstand sinnvoll

>>Mir war, als flög ich in den Himmel.(aus Theodor Fontanes ,Effie Briest‘)
Die Schaukel, das Symbol einer unbeschwerten Kindheit, von kindlicher Lebenslust, ein paar Sekunden fliegen im Glück und Übermut. Die Mehrheit der Frauen weltweit haben dieses Glücksgefühl völliger Losgelöstheit und Selbstbestimmtheite als Erwachsene vergessen müssen oder schon als Kind nie erfahren. Sich die Schwinge der Freiheit zu bewahren, dieses müssen die meisten Frauen ihr Leben lang verteidigen.<< Heike Krüger

FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron, Bloody Friday-series, Gallery Project NO PLACE TO HIDE
FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron, Same pink every day-series, Gallery Project NO PLACE TO HIDE

Daisy, Lucy, Minnie und Pink Panther

Comic-Motive bilden einen weiteren Fixpunkt im Maron’schen Bilderuniversum. Doch ganz so lieb und nett geht es entgegen dem ersten Eindruck auch hier nicht zu. „Zuschreibungen und Klischees werden bereits den Kindern eingeimpft – oder warum ist immer Mickey der gescheite Detektiv, während Minnie Maus ausschließlich mit ihrer Schönheit beschäftigt ist?“, ärgert sich die Künstlerin. „Dabei war das in den ersten dieser Zeichnungen gar nicht so, denn da waren auch die Figuren selbst noch viel kindlicher und hatten ganz andere Funktionen.“

Dort setzt sie an – einerseits, und zeigt andererseits die sehr erwachsene Einflussnahme. Witzig-ironische Daisy Dominas mit Peitschen oder Pistolen gehören ebenso zum Repertoire, wie Lucky Luke mit Lippenstift, transsexuelle Mäuse oder Mice Supersize. Aber auch Pink Panthers mit kaputten Nasen, roten Lippen Lockenwicklern und Staubsauger in der Hand bevölkern das Maroniversum.

FREE AS A BUMBLEBEE? | Nina Maron, I’m killing in the rain!-series, Gallery Project NO PLACE TO HIDE

Es gibt eben mehr als nur ein Bild! Über die Bekanntheit der Sujets erzielt sie jene Aufmerksamkeit, die es braucht, um verknöcherte Zugänge hinterfragen und Stereotypen subversiv unterlaufen zu können. Klar regt sich da des öfteren Widerstand, weil das hübsche, bunte Maron-Bild plötzlich einen so vehementen „Störfaktor“ beinhaltet. Fragt sich, worin dieser dann eigentlich besteht…

Text: Evelyn Schalk | leicht gelürzte Version, vollständig über Nina Maron erhältlich | Einig Passagen ergänzt von Heike Krüger s. Zitat im Text