Jiři Keuthen IN DUBIO

Hero image: Installation Detail IN DUBIO, Jiři Keuthen für Kunz Rechtsanwälte, Animation

Ausstellung 12. März bis 02. Juli 2009

Gemalt hat Jiři Keuthen seinen Zyklus „In Dubio“ für den Deutschen Bundestag, aber dort wurden die Werke nicht gezeigt. Dort kneift man und verschiebt die Ausstellung zum Bundesjustizministerium, von dem Keuthen 2003 eine kurzfristige Absage der bereits fest terminierten Ausstellung erhält. Im Zweifel wegen einer thematischen Nähe zu der damals geplanten und äußerst strittigen Berliner Kunstausstellung „Mythos RAF“. Denn mit Hammer und Beitel kerbte Keuthen nicht nur Christian Klar in großformatige und mit Offsetdruckfarbe colorierte Masterwoodplatten. Die Galerie Krüger Gallery zeigt die acht Porträts umstrittener Persönlichkeiten der Zeitgeschichte.

Jiři Keuthen | IN DUBIO

Im Zweifel für – in dubio

Jiři Keuthens Arbeit „In dubio“ ist nicht, wie von unserer örtlichen Presse angekündigt, ausschließlich die Abbildung von RAF-Terroristen und ihren Opfern, oder im schlimmsten Falle eine Arbeit, die sich einem Kult anschließen will. Keuthen greift in der Auswahl und Anordnung der Porträts weit über das Thema RAF hinaus und ist von einer Mystifizierung oder sogar Ästhetisierung weit entfernt. Dem Künstler geht es auch nicht um eine Glorifizierung einer speziellen, popkulturellen Szene.

Nicht an Popkultur fühle ich mich erinnert, sondern an Pop Art. Die Porträts wirken wie Replika eines Andy Warhols, sie werden zu austauschbaren Siebdruck-Multiples, unterschiedlich nur in ihren verschiedenen Coleurs. Für seiner großartigen Zyklus „In dubio“ ließ sich Keuthen durch das Buch „Mut zur Freiheit“ von Jürgen Ponto inspirieren, denn Keuthen beschäftigte das Phänomen des globalen Terrorismus.

Obwohl jedes einzelne Porträt eine persönliche Geschichte erzählt, geht es ihm bei seinen Protagonisten nicht um die dargestellte Persönlichkeit, denn nicht der Einzelne in seiner eigenen Dramaturgie steht in seinem Fokus. Die acht Männergesichter, die er mit Hammer und Beitel in großformatige Masterwoodplatten gekerbt und nach einer Stoffdruckabnahme mit Offsetdruckfarbe colorierte hat, sind von dem Künstler willkürlich ausgewählt und die Anzahl könnte sich unendlich fortsetzen lassen.

Terrorismus und Macht

Die Komposition lässt keine Wünsche offen, weder bezüglich ihres Farbklangs und der Harmonie ihrer Ganzheitlichkeit, noch in ihrer Ästhetik. Die großen, wie Comic-Pop-Poster aus den Seventies anmutenden „Sergant Peppers“ zeigen den Leitenden Beamten im Auswärtigen Amt, Gerold von Braunmühl, der 1987 einem RAF-Anschlag zum Opfer fiel, Zar Nicolaj II, den Bolschewiki 1918 erschossen. Auch Generalbundesanwalt Siegfried Buback, den die RAF 1977 ermordete, der italienische Ministerpräsident Aldo Moro, den 1978 die „Roten Brigaden“ töteten, Brutus, der das Messer gegen Cäsar erhob und den Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, der 1977 im Kugelhagel der RAF starb, reihen sich in die Galerie. Außerdem wählt Jiři Keuthen noch den russischen Anarchisten Michail Bakunin und den RAF-Terroristen Christian Klar, der auch für die Morde an Buback und Ponto vom Oberlandesgericht Stuttgart zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde für seinen Zyklus aus.

Keuthens Personenwahl aus der jüngern Vergangenheit gleich wie aus der zeitgeschichtlich weit zurückliegenden Historie wertet er nicht, aber er will Zweifel säen, damit der Betrachter hinterfragt. Denn was sind das für Leute, die der Künstler hier porträtiert, sind es Täter oder Opfer oder beides, und wie ist das Verhältnis von Terrorismus und Macht? In Dubio – damals, heute, immer?

„Mit der Sprache der Kunst will ich einiges ins Bewusstsein bringen und einen Dialog einfordern.“ Das sagte Keuthen seinerzeit in einem Interview über sein Werk.

In Dubio – acht Gemälde für den Deutschen Bundestag

Keuthens Zyklus „In dubio“ war seit 2003 in Berlin eingelagert. Zwar hat der Künstler das Werk für den Deutschen Bundestag gemalt, aber dort hat man sich nicht getraut, seinen Zyklus zu zeigen. Man outet sich als zu schwach für diese starken Arbeiten. Deshalb wird Jiři Keuthen an das Bundesjustizministerium weitergeleitet als ein Versuch, sich einigermaßen elegant aus der Affäre zu ziehen.

Doch leider erhält Keuthen 2003 nur wenige Tage vor der Eröffnung auch vom Bundesjustiz­ministerium eine kurzfristige Absage für die fest terminierte Ausstellung des Zyklus In Dubio – im Zweifel wegen einer thematischen Nähe zu der damals geplanten und äußerst strittigen Berliner Kunstausstellung „Mythos RAF“.

Jiři Keuthen im Bundesjustizministerium Berlin

Die Arbeit Keuthens an den Porträts für den Zyklus In Dubio dauert viele Monate – jedoch mehr als ein Jahr dauert der rege Briefwechsel und es bedarf der Zustimmung zweier Justiz­ministerinnen, bis ein Ausstellungstermin festgelegt werden kann. Hertha Däumler-Gmelin erklärt sich 2002 bereit, die acht Porträts von Personen der Geschichte und Zeitgeschichte im Bundesministerium der Justiz zu zeigen. Auch ihre Nachfolgerin 2003, Brigitte Zypries, gibt ihre Zusage.

Sechs Wochen lang sollte das Werk Keuthens in ihrem Hause in der Berliner Mohrenstraße gezeigt werden, dabei mit einem minimalem finanziellen Aufwand verbunden. Denn Jiři Keuthen sollte für alle Kosten rund um den Transport, Montage, und Deinstallation sowie den nötigen Versicherungen selbst aufkommen. Das Ministerium wollte nur für die Einladungen zur Vernissage am 12. Oktober 2003 und dem Rahmen der Veranstaltung aufkommen. Im Juli bekommt Keuthen die Zusage , Anfang August wird In Dubio in Berlin mit der Begründung gecancelt, dass der öffentliche Dienst beim Thema Sparen alles dafür tun muss, um mit gutem Beispiel voranzugehen. Dabei wurde auf „erhebliche interne Kosten“ verwiesen, die eine Vernissage verursachen würde.

Um einem Rechtsstreit aus dem Wege zu gehen, denn Keuthen hatte inzwischen Rechtsbeistand eingeholt, und um unnötige Publikationen in der Presse zu vermeiden, vermittelt das Justizministerium dem Künstler erneut eine Ausstellungsmöglichkeit im Deutschen Bundestag, allerdings nur unter der Voraussetzung, eine alternative Bildauswahl zu zeigen.

Jiři Keuthen’s Statement: Kunst ist nicht verhandelbar

Der Künstler ist eine starke Persönlichkeit, ein couragierter Rebell, ein Humanist, ein Opportunist im christlichen Sinne und ein Aufklärer.

Sein Statement gilt! Damals wie heute. Unter diesen ihm vorgegebenen Bedingung verweigert der Künstler die doch für ihn und seinen künstlerischen Werdegang so wichtige Ausstellung. Er zeigt Haltung und bezieht Position, übrigens Titel von weiteren großartigen Werken, die er in der Zukunft noch erstellen wird. Das er sich nicht fügt, charakterisiert am stärksten seine Persönlichkeit. Deshalb hat es eine Ausstellung im Deutschen Bundestag nicht gegeben. Auch in Berlin hat man ihm keine weiter Ausstellunsmöglichkeit angeboten, da der Skandal um die Ausstellung „Mythos RAF“ von Klaus Biesenbach noch lange hohe Wellen schlägt. Erst Anfang 2005, sieben Jahre nach der Selbstauflösung der RAF in Berlin, wirde die in 2003 so umstrittene RAF-Ausstellung eröffnet. Der ursprüngliche Titel „Mythos RAF“ wurde nach den heftigen Protesten geändert in „Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF- Ausstellung“. Dabei stellt sich mir die Frage, ob wirklich nur der Ausstellungs-Titel geändert wurde?

Die Botschaf In Dubio

Wer frei ist von Schuld, der werfe den ersten Stein. Das ist die Botschaft des Künstlers. Und damit sind wir ganz dicht bei dem Humanisten Jiři Keuthen. Ob im philosophischen oder christlichen Sinne, das mag jeder für sich endscheiden.

Die Aufgabe der Kunst ist es, dass der Betrachter mit mehr geht, als er gekommen ist. Und das ist die einzige Botschaft.

Christian Klar, Jiři Keuthen IN DUBIO

Christian Georg Alfred Klar

Der ehemalige deutsche Terrorist Christian Klar war bei der Roten Armee Fraktion aktiv. Er gilt als eine der Schlüsselfiguren der zweiten Generation. Dieses Porträt aus dem Zyklus In Dubio verhindert mehrfach die Ausstellung des gesamten Zyklus‘.

Siegfried Buback, Jiři Keuthen | IN DUBIO

Siegfried Buback

Der deutsche Jurist Siegfried Buback amtierte vom 31. Mai 1974 bis zu seiner Ermordung als Generalbundesanwalt am Bundesgerichtshof. Seine Ermordung durch Mitglieder der Roten Armee Fraktion wird gemeinhin als Auftakt des Terrorjahres 1977 betrachtet, das im Deutschen Herbst gipfelte.

Jürgen Ponto, Jiři Keuthen | IN DUBIO

Jürgen Ponto

Der deutscher Bankmanager Jürgen Ponto war von 1969 bis zu seiner Ermordung Vorstandssprecher der Dresdner Bank. Ponto wurde beim Versuch, ihn zu entführen, von Mitgliedern der terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion erschossen.

Gerold von Braunmühl, Jiři Keuthen | IN DUBIO

Gerold von Braunmühl

Der hochrangige deutsche Diplomat im Auswärtigen Amt, Gerold Hermann Johannes Edler von Braunmühl, wurde von Terroristen der Roten Armee Fraktion ermordet.

Aldo Moro, Jiři Keuthen | IN DUBIO

Aldo Moro

Der italienische Politiker der Democrazia Cristiana Aldo Moro nahm ab den 1950er Jahren politische Spitzenpositionen ein und war von 1963 bis 1968 und von 1974 bis 1976 Ministerpräsident des Landes. Als solcher bemühte er sich um eine Zusammenarbeit zwischen dem rechten und linken politischen Lager.

Michail Bakunin, Jiři Keuthen | IN DUBIO

Michail Bakunin

Der russische Revolutionär und Anarchist Michail Alexandrowitsch Bakunin gilt als einer der einflussreichsten Denker, Aktivisten und Organisatoren der anarchistischen Bewegung. Bakunin entstammte einer alten russischen Adelsfamilie. Er war Artillerieoffizier und Mathematiklehrer.

Brutus, Jiři Keuthen | IN DUBIO

Brutus

Marcus Iunius Brutus Caepio, oft kurz Brutus genannt, war ein römischer Politiker in der Zeit der späten Republik und einer der Mörder Gaius Iulius Caesars.

Zar Nicolaj II, Jiři Keuthen | IN DUBIO

Zar Nicolaj II

Nikolaus II. aus dem Herrschergeschlecht Romanow-Holstein-Gottorp war der letzte Zar des Russischen Reiches. Sein offizieller Titel lautete Kaiser und Selbstherrscher von ganz Russland. Er regierte vom 1. November 1894 bis zu seinem Sturz am 15. März 1917 infolge der Februarrevolution.


Die künstlerische Entwicklung von Jiři Keuthen

Jiři Keuthens handwerkliche Arbeit hat sich stets weiterentwickelt. Der in Goch am Niederrhein geborene Künstler, selbst bekennender Autodidakt, hat anfänglich in den achtziger Jahren vorwiegend in Öl auf Leinwand gemalt. Aber schon die häufige Verwendung des groben Rupfens deutet auf eine gewollte und gesuchte Auseinandersetzung mit dem Malgrund als Werkstoff und gestalterisches Mittel. Die „Neuzeitlichen Gestalten“ entstehen, wir zeigten sie in unserer vorherigen Interims-Installation, und es entstehen zum Beispiel die Werkreihen „Neuzeitliche Landschaften“, „Scharade“, „Male und Schweige“ und der 1992 im Mittelrhein-Museum gezeigte Zyklus „Arbeit und Brot“, „Robot“ und viele mehr.

Malerei und Montagen

Keuthen gibt dem bildhauerischen Drängen in sich nach, er braucht Substanz, er sucht die Dimensionen. Wir sind gedanklich nun in den Jahren seines künstlerischen Schaffens in Koblenz angekommen. Keuthen lebte und arbeitete hier von 1989 bis 1997.

Jetzt verwendet er unterschiedlichste Materialien und montiert diese auf seine Malgründe. Nicht nur Papier und Pappe, Fotokopien, Fotos, Modelliermasse oder Kunstblut finden nun Einsatz in seiner Arbeit. Er montiert auch zerbrochenes Plastikbesteck, Tabakschachteln, bedruckte Kranzschleifen, Mausefallen, Schusternieten, Eisendraht, Gänsefedern, ein Fernglas, eine Handkarre, drei seiner gebrauchten Malerhemden und verknotete Tücher mit Streichhölzer daran, die er über gemalte Flaschen auf dem Bild befestigt.

Auch in der Auswahl seines Malgrunds war Jiři äußerst kreativ. So malte er zum Beispiel sein Bild „Drei Kritiker bei der Arbeit, der vierte ist nicht im Bilde“, auf drei miteinander verschraubte Türen aus einer Koblenzer Kaserne. Übrigens: in dieser großformatigen Arbeit kombiniert er seine Kritiker mit der eben erwähnten Mausefalle.

Masterwood und Unikatdruck

Mehr und mehr arbeitet er in Holz, er treibt sich im wahrsten Sinne kraftvoll in seine Werke hinein. Jiři Keuthen war ein großer, energiegeladener und dominanter Mann, der immer auf der Suche nach dem effektivsten und intensivsten Ausdruck war und sich dabei immer weiter voran trieb.
Ab Mitte der neunziger Jahre arbeitet er seine Reliefs, seine Bildfiguren, dann fast ausschließlich in Sperrholzplatten und Masterwoods. Diese aufwendigen Arbeiten verwendet er zum Teil für Unikatdrucke, die er auf Papier oder Stofftuch anfertigt. Die anschließend bemalten, und somit als Druckstock ,unbrauchbar‘ gemachten Masterwood-Reliefs sind gewaltig, tief beeindruckend, nachhaltig und haben immer eine humanitäre und sozial-politische Botschaften, wie auch der 1998 gefertigte großformatige Porträt-Zyklus In Dubio.