Kowloon City Road | Oliver Gräfe

Hero image: No. 66a, detail, Oliver Gräfe

„Heiße Dichte, die einem den Schweiß des anderen schmecken lässt.
Ein Lärm, dessen Schmerz-Virtuosität fast alles übersteigt, was ein Mittel­europäer ertragen kann. Und ein rasantes Tempo, das nur noch meine Kamera erfasst.
In diesem Full-Size-China System müssen die Einwohner des Mikrokosmos Kowloon City Road jeden Tag ihren Ausschnitt neu definieren.“
Der junge Fotodesigner Oliver Gräfe strukturiert dieses Chaos mit seinen Fotografien.

Heike Krüger

Kowloon City Road | Katalog © Heike Krüger

Kowloon City Road | Oliver Graefe, Installation

Die Megacity Hongkong kämpft, auch aufgrund ihrer geografischen Lage, jeden Tag mit sich selbst um Platz und Lebensraum, um Ruhe und Ordnung, Freiheit und Handel. Es mangelt an Wohn- und Geschäftsraum, kostbarstes Gut; so wird schon lange kaum noch in die Breite, dafür umso mehr in die Höhe gebaut. Skyscraper prägen das Stadtbild. Durch die modernen und sich schnell ausbreitenden Glas- und Stahlpaläste der Innenstadt sind die alten, teils unscheinbaren Häuser der Altstadt auf der Kowloon-Stadtseite kaum noch wiederzufinden. Viele der alten Häuser weichen täglich.

Full-Size-China

Die Kowloon City Road ist eine der ältesten Einkaufs- und Wohnstraßen, die gerade wegen ihrer Vielfalt an Läden und Wohnungen besticht. Sie liegt halb versteckt unter einer Motorway-Straßenbrücke, dicht an dicht drängen sich Geschäfte, kleine Büros, Supermärkte und Werkstätten. Die enge Bauweise und die oftmals zur Straße hin völlig offene Front erinnern an Garagenzeilen oder gar an Stallanlagen. Fährt man die Kowloon City Road kommt es einem wie ein viel zu großes Daumenkino vor, so flattern die Bilder an einem vorrüber. In voller Hausbreite werden Waren präsentiert, gekauft fast im Vorbeigehen. Nur eine Handbreit weiter rauschen die Autos vorbei und der Lärm macht jedes Gespräch unmöglich. Doch diese enge und quirlige Straße scheint wie zum Trotz gegen die modernen Stadtgebiete zu bestehen und man freut sich, diese alte Form der Handelsstraßen in Kowloon noch immer zu finden. Da keiner weiß, wie lange die alten Wohnhäuser mit ihren Geschäftsräumen noch erhalten bleiben, habe sich der Fotodesigner zur Aufgabe gemacht, diesen Bilderrausch in Ausschnitten festzuhalten. Mit seinen großformatigen Fotos möchte er den Betrachter Kowloon City Road erleben lassen.

Kowloon City Road | Oliver Gräfe, Ausstellungs-Installation

Trotz hoher Produktionskosten kann ich Oliver überzeugen, in großen Bildformaten zu denken. Die ganze Galerie wird so zu einem Nachbau der Kowloon City Road. Für den Galeriebesucher ist das die Möglichkeit, die Strasse, ihre Menschen und ihre shops nicht nur aus der Distanz zu beobachten, in ihre Welt einzutauchen, um das Pulsierende, den Lärm und die Dichte dieses Mikrokosmos zu erleben.

Kowloon in trade

Oliver Gräfe 2005 – 2007

Auf unserer Welt bieten sich heute viele Möglichkeiten eine Millionenstadt zu erleben. Und in Zukunft werden diese Weltstädte der Erde – auch Mega-Cities genannt –noch beträchtlichen Zuwachs an Einwohnern bekommen.
In vielen Teilen der Erde ist das Problem der Landflucht der Bevölkerung in die Großstädte nicht neu. Beinahe unaufhaltsam wachsen Städte in ihre Randgemeinden hinein und vereinnahmen Gemeinden sowie Land und Menschen in ihr Territorial. Menschen suchen Zuflucht und soziale Strukturen, die auf dem Land anscheinend nur unzureichend vorhanden sind.

Kowloon City Road | Oliver Gräfe, No. 66a | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm

Städte wachsen fast überall in einem rasenden Tempo, bis die Grenzen der regionalen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wohnraum in diesen Großstädten wird immer öfter zu einem kostbaren Gut, wenn nicht sogar unbezahlbar für den Einzelnen.

Gerade in den asiatischen Mega-Cities wird der Lebensraum immer enger und kleiner, Wohngebiete dieser Massen-Lebensräume wachsen immer schneller zusammen und verschmelzen zu einer Einheit. Die Stadt wird zu einem Sammelbecken für Menschen aus völlig verschiedenen Regionen und Konfessionen – eine Art Mikrokosmos, der die Welt im Kleinen wiederholt, entsteht.

In Hongkong finden sich unzählige solcher kleinen Welten: Die Stadt kämpft jeden Tag mit sich selbst um Platz und Lebensraum, um Ruhe und Ordnung, Freiheit und Handel. Die Menschen arrangieren sich, ihre einzige Chance wie es scheint.

Kowloon City Road | Oliver Gräfe, No. 68a | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm

Diese bekannte Millionenstadt an der Südküste Chinas hat schon seit Jahrzehnten ein ganz natürliches Problem, mit dem sie tagtäglich zurechtkommen muss: Es mangelt in Hongkong an Platz und Raum für Geschäfte und noch viel mehr für Wohnungen. Als moderne Stadt der Zukunft hat Hongkong schon sehr früh angefangen, Gebäude und Wohnraum gezielt in die Höhe zu bauen.

Dies scheint jedoch nur nicht für alle zu reichen; und die Wohnungspreise reagieren entsprechend. Hongkong wächst kaum noch in die Breite, dafür umso mehr in die Höhe: Skyscraper und Wolkenkratzer zieren daher schon seit langem das schon klassische Stadtbild von Hongkong, obwohl das ursprüngliche Hongkong weitaus älter ist als die hohen Gebäude der Skyline auf dem Island vermuten lässt.

Hongkong hatte allerdings schon immer ein Problem durch seine besondere geographische Lage: Diese moderne und immer noch expandierende Stadt steht größtenteils am Rand einiger Berge und Hügel und ist auf der südlichen Seite von Wasser und kleinen Inseln umgeben. Hongkong ist in einer Schere aus Hügeln und Meer gelegen, sodass schon sehr früh im Norden, außerhalb der städtebaulichen ‚Problemzone‘, die so genannten New-Territories entstanden, um Menschen Wohn- und Lebensraum anzubieten.

Kowloon City Road | Oliver Gräfe, No. 58 | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm

Hongkong platzt aus allen Nähten und die Trabantenstädte im Umkreis dieser Megacity wachsen unaufhaltsam mit. Durch die modernen und schnell wachsenden Glas- und Stahlpaläste der Innenstadt sind die alten, teils unscheinbaren Häuser der eigentlichen Altstadt auf der Kowloon-Stadtseite manchmal kaum noch wiederzufinden. Auch ist die Bausubstanz der Altbauten teilweise schlecht renoviert und die älteren Baujahre mit ihren teils nur sechs-stöckigen Häusern verschwinden fast im Anblick des Stadtbildes. Hongkong wächst nach oben, wenn wieder mal ein Altbau für ein neues Hochhaus Platz macht.

Kowloon City Road | Oliver Gräfe, No. 62 | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm

Auf meiner zweiten Reise nach Hongkong – meine erste Reise habe ich 2005 unternommen – konnte ich einige neue Gebäude entdecken. Aber auch alte Bauten haben manchmal Glück und überstehen den Hongkonger Bau-Boom in die beliebte Höhe ….

So konnte ich auf dem Festland von Hongkong, in Kowloon, eine sehr facettenreich belebte Straße näher untersuchen, die sich mir schon auf der ersten Reise sehr eingeprägt hatte. Im Bezirk Kowloon gibt es eine ältere Einkaufs- und Wohnstraße, die gerade wegen Ihrer gemischten Struktur an Läden und Wohnungen einen besonderen Reiz ausübt.

Kowloon City Road | Oliver Gräfe, No. 66 | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm

Halb versteckt unter einer Motorway-Straßenbrücke liegt eine teils in zwei Hälften geteilte Straße, die eng aneinander gedrängt Geschäfte und kleine Büros sowie Supermärkte beherbergt. In dieser Hauptstraße tummeln sich unzählig viele kleine Händler, auf engstem Raum finden sich zahlreiche Geschäfte für den alltäglichen Bedarf, wie auch Werkstätten. Durch dieses Ensemble wird das Wohnviertel Tag für Tag am Leben gehalten.

Auf meiner Reise in 2005 fuhr ich bei meiner Ankunft vom Flughafen direkt nach Kowloon hinaus, in die Enge der Wohnviertel und Straßen der Einzelhändler. Die Fahrt vorbei an unzählig vielen kleinen Geschäften für Lebensmittel und Gemüse kam mir vor wie ein viel zu großes Daumenkino, das sich direkt vor dem Fenster unseres Autos abspielte: Geschäfte jeder Art rauschten in sehr kurzem Abstand am Fenster vorbei.

Kowloon City Road | Oliver Gräfe, No. 68 | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm

Hier wurde ich in den Bann gezogen von dieser Handelsform halb auf der Straße: Geschäfte und Läden verkaufen hier aus einer in voller Hausbreite offenen Hausfront ihre Waren fast im Vorbeigehen, während nur eine Handbreit weiter die Autos vorbei rauschen und der Lärm jegliche Art von Gespräch unmöglich erscheinen lässt. Aber diese enge und quirlige Straße scheint wie zum Trotz der anderen moderneren Stadtgebiete zu bestehen und man freut sich, diese alte Form der Handelsstraßen in Kowloon immer noch vorzufinden.

Da allerdings niemand genau sagen kann, wie lange die alten Wohnhäuser mit Geschäft im Erdgeschoss noch erhalten bleiben und nicht modernen Shopping-Centern weichen, kam mir die Idee, diese Häuserblocks näher zu untersuchen.

Auffallend ist, wie eng und dicht gedrängt die Ladenzeile an der Straßenfront gebaut ist, mehr als die Hälfte der Geschäfte verfügt vorne an der Front über eine komplett offene Bauform, man hat den Eindruck einer überlangen Garagenzeile.

Diese sehr direkte Präsentation des Eingangsbereiches findet sich zwar auch in Europa in Fußgängerzonen und in vielen Einkaufszentren, jedoch selten als Einkaufszeile direkt an einer engen Straße entlang. Auch die Vielfalt und sehr kontrastreiche Abwechslung der Geschäfte und Handelssparten ist in Hongkong eher chaotisch als sortiert nach Branchen. Hier gibt es noch die kleinen Werkstätten für Autos oder Maklerbüros direkt in der Nähe zum Supermarkt oder Gemüsehändler. Auf den ersten Blick scheint es kein Regelwerk für eine Ansiedlung von Gewerbe zu geben, Geschäfte und Einzelhändler finden dort Platz und Raum, wo ihre Ware hinein passt, egal wer oder was nebenan als Nachbar handelt und verkauft …

Kowloon City Road | Oliver Gräfe No. 72 | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm

Diese spannende Konstellation der wie zufällig zusammengestellten Geschäfte in einer Straße wird auch durch die enge Bauart an den Häuserfronten und die oftmals vorne völlig offene Front noch unterstützt. Immer wieder entsteht der Eindruck von Garagen-Fronten oder gar Stall-Anlagen. Es ist diese dem Reisenden chaotisch erscheinende Aneinanderreihung der Läden, die einerseits einen sehr besonderen Charme ausstrahlt, wie sie andererseits Momente der Unsicherheit erzeugt, die sich einprägen.

Da man als Fußgänger und Betrachter dieses Schauspiels der Straße immer integriert ist in das geordnete Chaos von Autolärm, Händlern und Kunden, kann man der Situation kaum entrinnen, der Fußweg ist dafür viel zu schmal.

Kowloon City Road | Oliver Gräfe No.72a | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm

Um die Wirkung dieser faszinierenden Eindrücke zu vermitteln, die Nähe und Präsenz des Fremden, in das sich der Reisende gestellt sieht, zur Darstellung zu bringen, sind die Fotos der Läden und Geschäfte in Kowloon auf ein großes Bildformat aufgezogen. Mit meinen Bildern möchte ich den Betrachter einladen, vor den Geschäften Halt zu machen, zu verweilen und hineinzuschauen, ganz wie in der alten Straße weit weg im lauten Hongkong.

Begeben Sie sich auf die Reise in die facettenreiche Welt der Händler und Läden in Kowloon, sie werden dort umfassend versorgt an Waren und Dienstleistungen.
Willkommen in Hongkong-Kowloon!

Kowloon City Road | Oliver Gräfe No. 74a | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm

Kuration für Oliver
Oliver Gräfe kam im Frühjahr 2007 auf mich zu – und blieb hartnäckig. Schon beim zweiten Kontaktgespräch kamen mir die ersten gestalterischen Ideen zur Zusammenarbeit. Oliver liefert das Material, und ich kümmere mich um die Präsentation in meinen Ausstellungsräumen. Die Idee, die Bilder auf ein Format von 130 x 130 cm zu vergrößern, kam mir, um dem Betrachter das die Möglchkeit zu geben, die Geschäftsstraße in meiner Galerie nachzuerleben.
Oliver Gräfe ist in Hamburg geboren. Dort ließ er sich zum Bankkaufmann ausbilden und arbeitete im hohen Norden bis 1988. Seine Passion zu fotografieren ließ ihn allerdings nicht in Ruhe. Reise- und Naturfotografie waren damals seine Fachgebiete in der Fotografie.
Oliver Gräfe, Diplom Fotodesigner, ist am 20. April 1970 in Hamburg geboren, lebt und arbeitet heute in Hannover. Über die Ausbildung und die Arbeit als Bankkaufmann in Hamburg, findet er 1998 nach mehreren Assistenzen in Düsseldorfer Fotostudios den Weg zum Studium von Kommunikationsdesign/Fotodesign an der Dortmunder FH. Während des Studiums arbeitet Oliver Gräfe arbeitet als Fachberater für Fotomedien und -technik.
heikekrüger

Kowloon City Road | Oliver Gräfe No. 76 | Fotoprint on foam board, 130 x 130 cm