Hero image: German Story # 1, Markus Ackermann
Ausstellung, 04. April – 16. Mai 2008
➽ Urban Stories | Katalog © Heike Krüger
Die faszinierende Fotokunst von Markus Ackermann zeigt eine politische und gesellschaftskritische Handschrift, die Collagen entstehen zuerst analog und werden später zu digitalen Composings.
Die Motive der Werkgruppe Urban Stories entziehen sich dem Begehren des Betrachters: Unscharf, diffus vermögen wir auf ihnen nur mehr die Umrisse der Straßenszenen oder menschlichen Figuren zu erkennen. Der Künstler wertet seine Aufnahmen des öffentlichen, urbanen Raumes, die in verschiedenen Ländern der Welt entstanden sind, akribisch aus.

Keine willkürliche Montage von Bildteilen beliebiger Fotos, sondern Ausschnitte je einer einzelnen Fotografie werden zu Bildstreifen montiert. In der Neukombination verschiedener Bildteile verwei-sen die Arbeiten auf die Tryptichen der sakralen Kunst, ebenso wie auf den zeitgenössischem Comicstrip.

Erfinderisches Erzählen
Reale Abbildung des Gewesenen ist jedoch nicht das Ziel der dieser Werkgruppe Ackermanns, da Materialitäten der abgebildeten Dinge und Personen zugunsten einer malerischen Auffassung des festgehaltenen Moments verschwinden. Die Sichtbarmachung des de facto Vorhandenen mit Hilfe der optischen Apparatur – schon seit Beginn der Fotografie ein wichtiges Anliegen der Fotografen – wurde mit der Digitalisierung des Bildes um den Bereich des implizit Möglichen erweitert. Dessen Befragung und Erschließung ist nicht zuletzt ein Ziel der fotografischen Arbeiten Ackermanns.

Die Stories von Markus Ackermann
Ein Blick auf die urbanen Lebensräume des Menschen – das ist es, was der Betrachter von Markus Ackermanns Fotoarbeiten zunächst wahrnimmt. Im Mittelpunkt steht der Mensch – Menschen in bevölkerten Städten, in Warteschlangen, bei Demonstrationen, im Spiegel der Werbung. Wie lebt der Mensch in den Großstädten von heute, wie in Westeuropa, wie in der sogenannten Dritten Welt? Armut oder Überfluss, Individuum oder Teil der Masse? Diesen Themen spürt Markus Ackermann in seinen Arbeiten nach.

Konstruierbarkeit von Bildern
Wohl erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es sich bei den URBAN STORIES nicht um wirklichkeitsgetreue Reportagen, sondern um ein erfinderisches Erzählen mit visuellen Mitteln handelt. Der Kunstkritiker Rudolf Schmitz spricht von der „fotografischen These … der Konstruierbarkeit der Bilder und der Welt“ (vgl. Ruhrberg/Schneckenburger/Fricke/Honnef, Kunst des 20. Jahrhunderts, Köln 2000, S. 680) – dieser Konstruierbarkeit von Bildern bedient sich auch Ackermann, indem er nicht nur abbildet, sondern Vorgefundenes neu zusammenfügt. Er zeigt weder, was gewesen ist, noch was hätte sein können. Stattdessen bietet er dem Betrachter Konstruktionen von Realität, Montagen der Wirklichkeit.

Digital Art
Der Künstler nutzt bei seinen Arbeiten die Mittel und Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung. Jedem Werk liegt eine einzige Fotografie zugrunde, die intensiv ausgewertet und bearbeitet wurde. Ackermann hebt jeweils einzelne Partien dieser Fotografie hervor, vergrößert oder verkleinert sie, setzt die Einzelteile neu zusammen und schafft so eine künstliche – und künstlerische – Realität, eine neue, vom Künstler „freigelegte“ Dimension des Realen

Bewusste Unschärfe
Randerscheinungen treten in den Mittelpunkt, vordergründige Elemente werden dagegen plötzlich unwichtig. Ackermann lässt so dem Betrachter die vielfältigen Facetten des Augenblicks deutlich werden, die alltäglichen „STORIES“ im Hintergrund. Die Aufsplitterung und Facettierung der verwendeten Fotografien werden formale Verbindungen entgegen gesetz.Weiche Farbverläufe zeigen die Nähe zur Malerei und fangen die Brüche in der Darstellung auf. Die bewusst eingesetzte Unschärfe verwehrt das genaue Hinsehen und lässt die verschiedenen Ausschnitte zu einer neuen Einheit verschmelzen. Das Format der Arbeiten erinnert dabei an das Breitbildformat der Kinoleinwand, so als wäre die Filmhandlung plötzlich gestoppt worden. Der Betrachter kann über den weiteren Fortgang der Handlung nur spekulieren.


Das Tryptichon als Stilmittel
Sowohl mit dem Format als auch mit der Aufteilung der Bildtafeln in der Regel in je ein betontes Mittelteil und zwei schmalere Seitenteile provoziert Ackermann bewusst eine weitere Assoziation, nämlich des Tryptichons, wie es im Mittelalter oft in religiösen Sujets verwendet wurde. Der Künstler verwendet dieses Stilmittel, um ein Narrativ hinzuzufügen, eine Abfolge zu erzeugen und verschiedene Elemente derselben Situation darzustellen, und verleiht seiner Kunst eine weitere Dimension.

Willkür oder Absicht?
In seinen Arbeiten gelingt es Ackermann damit, seinen Prints eine inhaltliche Überhöhung zu geben. Gleichwie sein ironischer Unterton ein Seitenhieb auf die Beliebigkeit der Verwendung visueller Mittel in modernen Medien ist.


Die Echtheit der Fotografie
Verbunden mit der Vorgehensweise Ackermanns ist die Frage nach der vermeintlichen Authentizität von Fotografie. Im Umgang mit den alltäglichen Massenmedien haben wir uns als Betrachter daran gewöhnt, den Bildern zu trauen.Trotz aller Informationen über manipulierte Pressefotografie aus den Krisengebieten der Erde glauben wir meist immer noch, dass das Kamerabild automatisch ein Abbild der Wirklichkeit sein müsste. Ackermann zeigt mit seinen Arbeiten einmal mehr, wie fragwürdig die Beweiskraft von Fotografien heute geworden ist.
Die selektive Reduktion unserer Wahrnehmung von Welt aufzeigend, sind diese Werke weit weniger autonomes Abbild, sondern mit den Worten des Künstlers „ BILDER ÜBER BILDER“.
Vera Hübel

