Hero image: Installation der Fadenskulptur Festung Ehrenbreitstein, BUGA 2011 – Koblenz verwandelt, Peter Goehlen
➽ Katalog Himmelslinien | Peter Goehlen, Fadenskulptur BUGA 2011 © Heike Krüger
➽ Bewerbungsunterlagen Fadenskulptur Bundesgartenschau 2011 © Heike Krüger
➽ Planungsunterlagen Fadenskulptur Bundesgartenschau 2011 © Heike Krüger
Fadenskulptur
In der Festung Ehrenbreitstein, in einem schmalen Gang zwischen Ravelin und Contregarde, schwebt über den Köpfen der Besucher ein filigranes Gebilde aus in den Raum gespannten und verwobenen, feinen Schnüren.
Der Koblenzer Künstler Peter Goehlen konzipierte eigens für diesen verwinkelten Festungsgraben eine aus etwa 4500 Metern schmaler Reepschnur bestehende Fadenskulptur in einer Höhe von vier bis acht Metern. Die etwas kräftigeren Hauptschnüre stützen die Konstruktion und sind mit Haken an den Festungswänden befestigt. Sie tragen die zwischen Geometrie und organischer Form sich bewegenden Fadengebilde, die Goehlen entlang des Grabens aus feinen Schnüren gewoben hat.
In ihrer Zartheit steht die skulpturale Installation im spannenden Diskurs mit den massiven Gemäuern der Festungsgebäude. Doch trotz der Feinheit ihres Materials und der damit verbundenen Linearität weiß sich die plastische Arbeit durchaus gegen die Mächtigkeit der alten Wände zu behaupten.
Eine weitere Spannung erzeugt das einfallende Licht: Abhängig von Tageszeit, Wetterbedingungen oder auch Betrachterstandort verändert sich auch die Körperlichkeit der Fadenskulptur unablässig. Mal flimmern die zweidimensional wirkenden Fäden so vor dem Auge, dass sich die Plastizität der Körper zu verflüchtigen scheint, mal stehen die dreidimensionalen Gebilde wie kompakte Formen frei im Raum. Verstärkt wird dieses Oszillieren zwischen Zwei- und Dreidimensionalität durch die Ocker- und Rottöne der Reepschnüre, die in ihrer Farbigkeit mit den verschiedenen Farbnuancen der unverputzten Natursteinwände der Festungsgebäude korrespondieren.
Heike Strelow, Frankfurter Kunsthistorikern und Galeristin, Kuratorin der Bundesgartenschau in Koblenz 2011, verantwortlich für die Kunstprojekte in den Bereichen Kurfürstliches Schloss und Festung Ehrenbreitstein.
Kunst aus Fäden stürmt den Himmel
Der Koblenzer Bildhauer Peter Goehlen hat ein faszinierendes Werk für die Festung geschaffen
Nur wenige Besucher der Koblenzer Bundesgartenschau riskieren in diesen Tagen einen Blick nach oben, wenn sie durch den vergleichsweise engen Gang zwischen Contregarde links und Ravelin der Festung Ehrenbreitstein schlendern. Dabei hat doch gerade dieser Ort fast etwas Klaustrophobisches – da ist man, zumindest optisch und je nach Standpunkt, ganz umgeben von wuchtigem, massivem Mauerwerk.
Umso spannender ist der Kontrast, der sich zwischen dieser Umgebung und dem Kunstwerk ergibt, das der 1954 in Koblenz geborene und im benachbarten Mühlental in einem alten Weingut lebende Bildhauer Peter Goehlen für die Buga geschaffen hat: eine feine, filigrane Skulptur aus farbigen Reepschnüren. Goehlen hat sie zwischen den konisch auseinander laufenden Mauern des Festungsgrabens geknüpft und gesponnen.
Auseinandersetzung mit dem Raum
So entstand eine Skulptur, die auf ungewöhnliche Art die intensive Auseinandersetzung des Künstlers mit dem bildhauerischen Raum spiegelt. Der ist hier eben nicht – wie bei Goehlen ansonsten vertraut – von Metall oder Holz umgeben, sondern liegt offen. Dies beeinflusst wesentlich das fragile, temporäre Kunstwerk.
Dieser temporäre, prozessuale Charakter der Arbeit, meint Peter Goehlen, hat wohl auch die für die Buga-Kunst am Schloss und auf der Festung zuständige Kuratorin Heike Strelow dazu gebracht, ihm die Möglichkeit zur Realisierung zu bieten.
„Gerade in dem Prozessualen meiner Arbeit liegt ja doch eine gewisse Beziehung zu Hans Arp, den sie als Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für ihr Konzept gewählt hat.“
Dass sich die „Himmelslinien“, wie sie der Künstler selbst nennt, je nach Lichteinfall und Wetter im Laufe des Tages verändern, dass dieses transparente räumliche Gebilde nie völlig gleich aussieht, unterstreicht noch die gedankliche Verwandtschaft.
Bei bewölktem Himmel erscheint das bräunliche Gelb, das die Hauptfarbe bildet unddas die Farben des Mauerwerks aufgreift, fast schwarz, genauso wie der „rote Faden“, der seinem Namen alle Ehre macht und in einer Höhe von etwa vier bis gut achteinhalb Metern durch die gesamte, 30 Meter in der Länge messende Arbeit hindurchläuft.
Denkmalschutz beachtet
Irgendwann, erzählt Goehlen, hat er einfach aufgehört zu zählen, wie viele Stunden ihn die Installation gekostet habe – vom ersten Konzept bis zur Auswahl des Materials, vom Anbringen der Anker im Mauerwerk („Die müssen natürlich im Sinne des Denkmalschutzes wieder ohne Spuren entfernt werden können und trotzdem fest genug sein.“) bis zum eigentlichen Spannen, Knüpfen und Formen der Skulptur, für das er geradezu artistische Leistung en auf ei nem Hubsteiger vollbringen musste.
„Das Interessante dabei war vor allem auch der Dialog während des Arbeitens, das spontane Reagieren auf die Gegebenheiten, die manchmal doch zum Abweichen vom ursprünglichen Konzept zwangen.“
Harte Arbeit steckt mit anderen Worten hinter der Skulptur, die jetzt so luftig über den Köpfen der Besucher schwingt – im Wechsel von sich teilweise kreuzenden plastischen und flächigen Elementen, hinter einem räumlichen Gebilde, das allein aus Linien besteht, denen der Himmel zum Zeichengrund dient. Dr. Lieselotte Sauer-Kaulbach Kunsthistorikerin, Journalistin und Autorin aus Neuwied, Rhein-Zeitungsartikel vom 20. Juni 2011.